Als hätten wir es schon mal gelesen oder geschrieben: Manchmal ist "lang" einfach "lang" und manchmal ist "lang" doch nicht "so lang", zumindest nicht "allzu lang".
Was wissen wir, seitdem das Bundesverfassungsgericht Anfang Juni 2018 die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes aufhob, wonach Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen, nicht vom Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasst sein sollen?
Wir wissen: Eine Vorbeschäftigung, die fünf Jahre zurück lag, liegt "nicht sehr lang" zurück. Auch ein Arbeitsverhältnis, das acht Jahre zuvor bestand, soll "nicht sehr lange her sein". Eine 22 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung ist jedoch lange genug her. In diesem Fall ist das in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestimmte Verbot verfassungskonform auszulegen mit dem Ergebnis, dass die Vorschrift nicht zur Anwendung kommt (BAG vom 21. August 2019 - 7 AZR 452/17).
Nun steht (vorerst) fest: Eine befristete Einstellung ohne Sachgrund ist nicht zulässig, wenn der Arbeitnehmer vorher schon im Betrieb beschäftigt war. Eine 15 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung reicht aus (LAG Baden-Württemberg vom 11. März 2020 - 4 Sa 44/19).
Sachverhalt
Es geht um eine Arbeitnehmerin in einem Autozulieferer-Betrieb. In diesem war sie bereits zuvor von April 1999 bis Juli 2000 beschäftigt. Im Jahr 2014 bewarb sie sich erneut. Im Personalfragebogen gab sie ihre Vorbeschäftigung an.
Die Arbeitnehmerin wurde befristet eingestellt, zunächst von Ende 2014 bis Ende April 2015. Der Arbeitsvertrag enthält die Klausel, sie sei bislang bei dem Betrieb weder in einem befristeten noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt gewesen. Ihr Arbeitsverhältnis wurde mehrfach verlängert – immer durch neue befristete Verträge ohne Sachgrund.
Nach Ablauf des letzten Vertrags klagt die Arbeitnehmerin auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (sog. Entfristungsklage). Der Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis wegen der Vorbeschäftigung nicht sachgrundlos befristen können. Der Arbeitgeber wendet hiergegen ein, die Arbeitnehmerin habe mit dem Unterzeichnen des Arbeitsvertrags eine falsche Erklärung hinsichtlich der Vorbeschäftigung abgegeben. Sie habe ihre Vorbeschäftigung damit explizit verschwiegen.
Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht (LAG) gab der Klage statt. Der Arbeitgeber muss die Arbeitnehmerin unbefristet weiter beschäftigen. Eine sachgrundlose Befristung ist nach § 14 Abs. 2 TzBfG unzulässig, wenn vorher ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (sog. Vorbeschäftigungsverbot).
Ein über 15 Jahre zurück liegendes Arbeitsverhältnis liege - so das LAG - demnach nicht "zu langeֿ" zurück.
Arbeitsvertragliche Klausel zur Vorbeschäftigung ist unwirksam
Der Arbeitgeber kann sich somit nicht auf die Klausel im Arbeitsvertrag berufen, in der die Arbeitnehmerin bestätigt, sie sei noch nicht im Unternehmen beschäftigt gewesen.
Eine solche Klausel ist unwirksam, da hiermit die Beweislast zum Nachteil der Arbeitnehmerin in unzulässigerweise geändert werden soll. Daher kann sie der Arbeitnehmerin nicht entgegengehalten werden.
Der Arbeitgeber hätte zudem nachforschen und dann feststellen können, dass die Arbeitnehmerin schon bei ihm beschäftigt gewesen sei. Dass sie die Beschäftigung im Lebenslauf verschwiegen habe, sei unschön. Es sei jedoch keine positive Falschauskunft, zumal sie nach den Angaben der Arbeitnehmerin im Einstellungsbogen durch Nachfrage oder Nachforschen noch hätte behoben werden können.
Tipp
Das BAG hat zuletzt einen Zeitraum von acht und auch 15 Jahren für nicht "sehr lang" angesehen, einen Zeitraum von 22 Jahren indes für lang genug, um eine sachgrundlose Befristung erneut rechtlich zu möglich. Mal sehen, wie das BAG jetzt entscheidet. Es bleibt spannend! Auf der sicheren Seite steht man nur mit: Einmal und nie wieder! Gleichwohl verlangt der Arbeitskräftemangel mehr vom (Rechts-) Berater.