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Booking im Visier des EuGHs – EuGH äußert sich zu sog. „Bestpreisklauseln“

Der EuGH entschied am 19.09.2024 (Rechtssache C 264/23) über sogenannte „Bestpreisklauseln“. Demnach unterfallen sowohl weite als auch enge Bestpreisklauseln dem Kartellverbot und sind unwirksam.

1. Worum ging es?

Internetbuchungsportale, wie etwa Booking für Hotelbuchungen, haben in der Vergangenheit regelmäßig sogenannte Bestpreisklauseln verwendet. Bestpreisklauseln untersagen es dem auf dem Portal werbenden Hotel

  • in ihrer „engen“ Variante („enge Bestpreisklausel“), seine Zimmer auf der eigenen Hotel-Homepage und
  • in ihrer „weiten“ Variante („weite Bestpreisklausel)“, seine Zimmer weder auf der eigenen Homepage noch auf anderen Plattformen Dritter

zu einem günstigeren Preis anzubieten als auf dem Buchungsportal (z.B. Booking).

Die üblichen Geschäftsmodelle der Buchungsportale sehen für jede erfolgreiche Vermittlung eine Provision von dem Hotel an das Portal vor. Diese Provision wird naturgemäß in den Zimmerpreis auf dem Vergleichsportal eingepreist, sodass die Buchenden indirekt diese Provision tragen.

Der EuGH hatte nun zu entscheiden, ob die Bestpreisklauseln dem Kartellverbot unterfallen. Dies wäre zumindest dann nicht der Fall, wenn die Bestpreisklauseln eine bloße Nebenabrede darstellen, die für den Betrieb der Buchungsplattform objektiv notwendig ist.

2. Die Entscheidung des EuGHs

Nach den Ausführungen des EuGHs sind die Bestpreisklauseln nicht als bloße Nebenabrede zu klassifizieren. Um eine Beschränkung als Nebenabrede qualifizieren zu können, ist zunächst zu prüfen, ob die Hauptmaßnahme ohne die fragliche Beschränkung unmöglich wäre. Dabei darf die Hauptmaßnahme selbstverständlich ebenfalls keinen wettbewerbswidrigen Charakter haben.

Der EuGH stellt fest, dass die Hauptmaßnahme, die Erbringung von Online-Hotelbuchungsdiensten, grundsätzlich zumindest neutrale Auswirkungen auf den Wettbewerb hat. So bieten Plattformen wie Booking dem Verbraucher einen großen Überblick und Vergleich über verschiedene Unterkünfte an. Auch für die Hotels stelle dies ein Vorteil dar, weil sie regelmäßig eine größere Sichtbarkeit erlangen.

Daher ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob die Erbringung von Online-Hotelbuchungsdiensten ohne Bestpreisklauseln unmöglich wäre.

Bezüglich der weiten Bestpreisklauseln stellte der EuGH fest, dass diese offensichtlich nicht notwendig für die Erbringung der Buchungsdienste seien. Diese Art von Beschränkung sei spürbar wettbewerbsbeschränkend, weil kleinere Plattformen und neu eintretende Plattformen aus dem Markt verdrängt werden könnten.

Die engen Bestpreisklauseln gehen wie oben gesehen in ihrer Beschränkung nicht so weit. Booking hatte dazu vorgetragen, dass die Regelungen insbesondere zur Vermeidung von sogenannten Trittbrettfahrern notwendig sind. Gemeint ist der Fall, dass der Kunde über das Buchungsportal auf das Hotel aufmerksam wird, aber für die tatsächliche Buchung die individuelle Hotel-Homepage vorzieht. Der EuGH sieht darin aber keinen Grund, die Klauseln als objektiv notwendig einzustufen: Es sei nicht ersichtlich, dass enge Bestpreisklauseln zwingend notwendig für die Gewährleistung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Buchungsportale seien. So reiche es gerade nicht aus, dass ohne eine solche Klausel die Hauptmaßnahme weniger rentabel sei.

3. Entscheidungspraxis zu Nebenabrede in der Vergangenheit

Um die Entscheidung des EuGHs betreffend die engen Bestpreisklauseln besser nachvollziehen zu können, empfiehlt sich ein chronologischer Blick auf die wesentlichen Entscheidungen zu Beschränkungen als notwendige Nebenabreden in der Vergangenheit:

  • So wurde bereits sehr früh ein Wettbewerbsverbot für die Durchführung einer Unternehmensübertragung für objektiv notwendig erachtet. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die Transaktion nicht realisiert werden könnte, weil zu befürchten stände, dass der Verkäufer seinen alten Kundenstamm unmittelbar nach der Veräußerung wieder anwirbt und so den Erwerber erheblich schwächt. Der Reichweite des Verbots muss danach auf das Erforderliche beschränkt sein (vgl. EuGH v. 11.07.1985, „Remia“ (Rs. 42/84; ECLI:EU:C:1985:327, Rn. 19f.)).
  • Ebenso wurden Beschränkungen in Vertriebsfranchiseverträgen als zulässig angesehen, wenn sie für die Funktionsfähigkeit des Franchisesystems unerlässlich waren (vgl. EuGH v. 28.01.1986, „Pronuptia de Paris“ (Rs. 161/84; ECLI:EU:C:1986:41, Rn. 16ff.)); so etwa die Untersagung der Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen, wenn der Franchisegeber dem Franchisenehmer notwendiges Know-how überträgt.
  • Auch wurde eine Klausel als erforderlich erachtet, in der dem Lizenznehmer von dem Lizenzgeber als Inhaber bestimmter Sortenrechte der Verkauf und die Ausfuhr von Basissaatgut untersagt wurde. Nur so könne dem Lizenzgeber als Züchter die Auswahl der lizenzierten Händler und Vermehrer ermöglicht werden (vgl. EuGH v. 19.04.1988, „Erauw-Jacquery“ (Rs. 27/87; ECLI:EU:C:1988:183, Rn. 11).
  • Schließlich hat der EuGH Einschränkungen für Mitglieder einer landwirtschaftlichen Genossenschaft bzw. Bezugsgenossenschaft in Form eines Kooperationsverbots mit anderen unmittelbar in Konkurrenz stehenden Genossenschaften als notwendig angesehen. Die Klauseln würden die Funktionsfähigkeit der fraglichen Gemeinschaft sicherstellen, weil nur durch die Beschränkung die für die Genossenschaft erforderliche Kapazitätsbündelung gewährleistet würde. Gleichwohl sei Voraussetzung, dass die Bestimmung der Genossenschaftssatzung nur auf das Notwendigste beschränkt würde (vgl. EuGH v. 15.12.1994, DLG (Rs. C-250/92; ECLI:EU:C:1994:413, Rn. 45) und vom 12.12.1995, „Oude Luttikhuis“ (Rs. C-399/93, ECLI:EU:C:1995:434, Rn. 20).

Die Entscheidungen machen deutlich, dass eine Einstufung als Nebenabrede regelmäßig nur in Betracht kommt, wenn die Durchführung der Hauptmaßnahme ohne eine solche Beschränkung zwangsläufig gefährdet ist.

4. Was ändert sich für den nächsten Urlaub?

Für die Buchung des nächsten Urlaubs ändert sich wohl nichts. Booking setzt Bestpreisklauseln im europäischen Raum bereits seit diesem Jahr wegen dem EU-Digitalgesetz (Digital Markets Act (DMA)) nicht mehr ein. Interessant dürfte das Urteil allerdings für die Erfolgsaussichten von etwaigen Schadensersatzforderungen der Hotelbetreiber werden.

Dr. Christian Müller

Rechtsanwalt

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