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D&O-Versicherung und Kartellrecht – „a never ending story“

BGH übergibt den „Staffelstab“ an den Europäischen Gerichtshof

Eine lang erwartete Klärung von Regressfragen durch den Bundesgerichtshof (BGH) blieb am 11. Februar 2025 aus. Für D&O-Versicherer und Versicherungsmakler sowie Geschäftsleiter bleibt es weiter spannend. Denn der BGH hat die entscheidende Frage, ob das europäische Kartellverbot aus Art. 101 AEUV einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Unternehmen, gegen das eine Geldbuße wegen eines Kartellrechtsverstoßes verhängt wurde, Regress auf seine Geschäftsführer oder Vorstände nehmen kann, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vorgelegt.

Damit bleibt weiterhin nicht abschließend geklärt, ob Manager für gegen das Unternehmen verhängte Kartellbußgelder in Regress genommen werden können. Solche Bußgelder können schnell zwei- bis dreistellige Millionensummen erreichen. Der Entscheidung des BGH wurde als richtungsweisend entgegengesehen, weil entsprechende Regressfragen mit Blick auf erhebliche Bußgelder auch in anderen Bereichen wie dem Datenschutz oder dem Lieferkettengesetz ein beliebtes Sanktionsinstrument geworden sind. Ob nunmehr die Klärung der Anwendungs- und Auslegungsfrage durch den EuGH auch Rechtsklarheit außerhalb der Kartellrechtssanktionen bringen wird, wird aufgrund der entsprechenden Besonderheiten nach der Entscheidung noch zu prüfen sein.

In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit wollten die Klägerinnen, zwei Konzernverbundene Stahlunternehmen (GmbH und AG), die gegen sie wegen ihrer Beteiligung am Edelstahlkartell verhängten Bußgelder in Höhe von rund EUR 4,1 Mio. (sowie ihre Verteidigungskosten) von ihrem ehemaligen Geschäftsführer/Vorstandsmitglied zurückfordern, der persönlich an dem Kartell beteiligt gewesen war. Die Klägerinnen verlangten außerdem die Feststellung, dass der Beklagte alle weiteren Schäden aus dem Kartellverstoß zu ersetzen hat.

Das Landgericht wies die Klage hinsichtlich der beantragten Erstattung von Bußgeldern/Abwehrkosten ab, das OLG Düsseldorf als Berufungsgericht wies die Klage dann insgesamt ab.

Auch wenn der BGH scheinbar zu einer persönlichen Haftung der Geschäftsführer tendiert, hat dieser nun dem EuGH die Frage vorgelegt, ob es der Wirksamkeit von Kartellsanktionen zuwiderlaufen würde, wenn Unternehmen Geldbußen zurückfordern könnten. Nach deutschem Recht haftet ein Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied, das seine Pflichten verletzt, grundsätzlich gegenüber der Gesellschaft für den entstandenen Schaden. Ob dies ebenso für gegen die Gesellschaft verhängte (Kartell-)Bußgelder gilt, ist bislang äußerst umstritten.

Rechtliche Streitfragen: Ein Blick auf die Kontroversen

Einige Gerichte (OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.07.2023 – VI-6 U 1/22 [Kart]; LG Saarbrücken Urteil v. 15.09.2020 (obiter dictum) – HK O 6/16) lehnen eine Haftung der Entscheidungsträger für Unternehmensbußgelder ab. Der (Sanktions-) Zweck des Unternehmensbußgelds würde systemwidrig unterlaufen, wenn Unternehmen ihre Bußgelder an die Manager und damit mittelbar an deren D&O-Versicherer weiterreichen könnten. Dem Entscheidungsträger könne nicht die originär dem Unternehmen zugedachte Bußgeldsanktion (zusätzlich) aufgebürdet werden. Zudem käme es zu einer Doppelbestrafung.

Andere Gerichte, wie etwa das Landgericht Dortmund (Urteil v. 14.08.2023 – 8 O 5/22 (Kart)), befürworten hingegen eine solche Regresshaftung, um die abschreckende Wirkung von Unternehmensbußen zu gewährleisten. Ansonsten würde bei den Entscheidungsträgern ein Anreiz zu Fehlverhalten begründet. Hingegen käme es wohl regelmäßig nicht zu einer vollständigen Entlastung des Unternehmens, weil die Bußgelder oftmals nicht in voller Höhe vom Geschäftsführer zurückerlangt werden könnten und auch die Deckungssummen der D&O-Versicherung regelmäßig überschritten sein dürften. Schließlich wird auch eine betragsmäßige Beschränkung des Regresses diskutiert.

Mögliche Konsequenzen für D&O-Versicherungen

Sollte eine Regresshaftung der Manager für Unternehmensbußgelder bejaht werden, hätte dies erhebliche Konsequenzen für D&O-Versicherungen. Die bestehenden Versicherungsverträge sind auf ein solches Szenario oft nicht vorbereitet, was zu erhöhten Haftungsrisiken für Manager und Anpassungsbedarf bei den Versicherungsbedingungen führen könnte. Ebenso wären Prämiensteigerungen denkbar. In der Regel werden in den D&O-Versicherungsbedingungen Ausschlüsse von persönlich gegenüber Geschäftsleiter verhängte Bußgelder unter bestimmten Bedingungen festgelegt. Die Überleitung von Unternehmensgeldbußen ist hingegen häufig unberücksichtigt geblieben. Nichtsdestotrotz schließen verschiedene Maklerbedingungen die Bußgelder als versicherbar ein.

Insofern ist die EuGH-Klärung jedenfalls für den Regress von Kartellbußgeldern mit Spannung zu erwarten. Vor dem Hintergrund dieser Haftungsrisiken bleibt die Pflicht zur (Kartellrechts-) Compliance und Haftungsvermeidung ein wesentlicher Aspekt für Geschäftsleiter und D&O-Versicherer. Denn jedenfalls der Regress der Anwaltskosten sowie der weiteren Schadenersatzforderungen dürfte in Kartellkonstellation zu einer Inanspruchnahme der D&O-Versicherung führen. Insofern kann eine hinreichende (Kartell-)Rechtssensibilisierung durch eine versierte Compliance-Schulung den erforderlichen Ausgleich zwischen Risikoaufklärung und Vermeidung vollkommener Handlungsunfähigkeit durch falschverstandene Risikoaversion bieten.

Dr. Christian H. Müller, LL.M. Eur., EMBA

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