Die Europäische Kommission hatte den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union für die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie EU 2019/1937 eine Frist bis zum 17.12.2021 gesetzt. Nachdem 24 Staaten – darunter auch Deutschland – diese Frist haben verstreichen lassen, leitet die Kommission im Februar 2022 förmliche Vertragsverletzungsverfahren ein: Die sog. „blauen Briefe“ aus Brüssel. Nach der Whistleblower-Richtlinie müssen Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern (ab 17. Dezember 2023: mit mehr als 50 Mitarbeitern) ein Hinweisgebersystem im Unternehmen vorhalten. Zusätzlich ist dafür Sorge zu tragen, dass Hinweisgebern keine Repressalien infolge ihrer Meldung drohen.
Umgang mit versäumter Frist
Im Oktober 2019 hat die Europäische Kommission die Whistleblower-Richtlinie verabschiedet. Zwei Jahre hatten die Mitgliedsstaaten Zeit, ein nationales Gesetz auf Grundlage der Richtlinie einzuführen. In Deutschland hatte sich die damalige Große Koalition nicht innerhalb der Umsetzungsfrist auf den vom Justizministerium vorgeschlagenen Referentenentwurf zur Umsetzung des Whistleblower-Richtlinie einigen können. Der neue Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann teilte jedoch mit, dass ein Entwurf „so schnell wie möglich“ vorgelegt werde.
Daraufhin hat die Kommission im Februar 2022 ein mehrstufiges förmliches Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Seit dem 03.02.2022 findet sich ein entsprechender Vermerk auf der Website der Kommission. Sollten die ermahnten Länder nicht reagieren, kann die Kommission in letzter Instanz den Fall an den Europäischen Gerichtshof verweisen, der dann gegebenenfalls Sanktionen gegenüber den Mitgliedstaaten verhängt.
Konsequenzen für Arbeitgeber
Die Regelungen der Whistleblower-Richtlinie sind bis zur Umsetzung in nationales Recht jedoch keinesfalls unwirksam. Schon jetzt können sie sich für Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern und im öffentlichen Sektor auswirken. Grundsätzlich sind juristische Personen mit mehr als 50 Mitarbeitern (ab 2023, derzeit mit mehr als 249 Mitarbeitern) sowie Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern verpflichtet, ein internes Hinweisgebersystem bereitzustellen und einen speziellen Ansprechpartner für die Entgegennahmen zu benennen. Ebenso hat der Arbeitgeber Hinweisgeber vor Repressalien (wie Kündigung, Versagung der Beförderung, Mobbing u.ä.) zu schützen. Bereits jetzt kann Hinweisgebern im Einzelfall der direkte Weg einer Meldung an öffentliche Stellen offenstehen, wenn entsprechende interne Hinweisgebersysteme noch nicht zur Verfügung stehen. Zugleich könnten sich die Schutzpflichten des Arbeitsgebers, den Hinweisgeber vor Repressalien zu schützen, schon jetzt bei der (gerichtlichen) Auslegung von arbeitsvertraglichen Nebenpflichten heranziehen lassen.
Für Unternehmen, die kein (hinreichendes) Hinweisgebersystem eingerichtet haben, besteht nach Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht das Risiko, dass Hinweisgeber sich direkt an externe Meldestellen, schlimmstenfalls an die Öffentlichkeit, wenden. Das jeweilige Unternehmen verliert damit die Möglichkeit, den Sachverhalt zunächst intern zu erörtern. Auch Reputationsschäden können dann nicht mehr ausgeschlossen werden.
Gerne helfen wir Ihnen weiter, wenn es um die Einführung eines für Ihr Unternehmen geeigneten Hinweisgebersystems geht und beraten Sie bei der praktischen Umsetzung. Dabei können wir Ihnen mit der Aderhold Hinweisgeberlösung als Onlinetool auch eine einfach und rechtskonforme Möglichkeit aus einer Hand anbieten.