Will der Arbeitgeber mögliche Ansprüche seiner zwischenzeitlich ausgeschiedenen Arbeitnehmer auf Entfernung von Abmahnungen vermeiden, sollte er die Personalakten nach überholten Abmahnungen durchforsten. Der ausgeschiedene Arbeitnehmer kann sich nun auf den datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch nach der DSGVO berufen (so das LAG Sachsen-Anhalt vom 23. November 2018 – 5 Sa 7/17). Dies soll selbst für die papiergebunden geführte Personalakte gelten.
Sachverhalt
Die Parteien stritten u.a. um einen Anspruch des Klägers auf Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es gab zuvor bereits arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen zwischen ihm und der beklagten Arbeitgeberin, weswegen die Arbeitgeberin ihm eine Abmahnung erteilte. Diese wurde in der Personalakte aufbewahrt, die lediglich in Papierform besteht. Der Arbeitnehmer kündigte in der Folge selbst das Arbeitsverhältnis. Er verlangte unter anderem seine Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen, da diese unzulässig sei. Die Beklagte weigerte sich, die Abmahnung zu entfernen, sie meint, sie sei rechtmäßig ergangen.
Entscheidung
Die Abmahnung muss aus der Personalakte gelöscht werden. Das Gericht leitet den Anspruch direkt aus der DSGVO her. Bei einer Abmahnung handelt es sich um personenbezogene Daten. Die Tatsache, dass die Daten – also die ganze Personalakte und auch die Abmahnung – in Papierform vorliegen und nicht wie sonst in der DSGVO vorausgesetzt in digitaler, d.h. elektronisch gespeicherter Form, hält das Gericht nicht für erheblich.
Auch in Papierform geführte Personalakten enthalten Daten, die – und darauf kommt es an – strukturiert gespeichert und nach bestimmten Kriterien zugänglich gemacht werden.
Nach Art. 17 DSGVO muss der Arbeitgeber die erhobenen Daten – also die Abmahnung – löschen, wenn der Zweck der Erhebung entfallen ist. Hier stellen die Richter darauf ab, dass mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der ursprüngliche Zweck der Abmahnung – nämlich die Warnfunktion mit der Folge einer möglichen Kündigung – in jedem Fall entfallen ist.
Die Angaben in der Abmahnung sind personenbezogene Daten i. S. d. DSGVO. Nach Art 4 Nr. 1 der DSGVO sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einen Namen, zu einer Nummer, zu Standortdaten, zu einer Onlinekennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.
Der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO und des BDSG ist eröffnet, Art. 2 Abs. 1 DSGVO, § 1 Abs. 1 Satz 2 BDSG. Auch in einer in Papierform geführten Personalakte werden personenbezogene Daten verarbeitet, die in einem Datensystem gespeichert oder gespeichert werden sollen. Nach Art. 4 Nr. 6 DSGVO ist ein „Datensystem“ jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugängig sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die Warnfunktion entfallen. Hinsichtlich der Rüge- und Dokumentationsfunktion könnte sich noch ein Interesse am Erhalt der Abmahnung für den Arbeitgeber ergeben, soweit dies zur Abwehr von etwaigen Ansprüchen des Arbeitnehmers oder zur Begründung eigener Ansprüche gegen den Arbeitnehmer erforderlich erscheint.
Tipp
Die Arbeitgeber müssen nun umdenken!
Nach der bisherigen Rechtslage besteht der Anspruch auf Entfernen der Abmahnung nur im bestehenden Arbeitsverhältnis. Nach dessen Beendigung entfällt in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis, da die Abmahnung grundsätzlich nicht mehr schaden kann.
Die DSGVO verändert diese Rechtslage. Nunmehr ist der datenschutzrechtliche Löschanspruch nach Art. 17 DSGVO zu beachten. Der Arbeitgeber hat jegliche Daten zu löschen, sobald der Zweck der Datenerhebung entfallen ist. In diesem Zusammenhang muss der Abgemahnte auch noch nicht einmal darlegen, dass die Abmahnung ihm noch schaden könnte.
Die „alte“ Rechtsprechung des BAG leitete einen Anspruch auf Entfernung von Abmahnungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB her. Das BAG wies schon seinerzeit darauf hin, dass der Abgemahnte im dortigen Fall einen Anspruch auf Löschung der in den Abmahnungen enthaltenen personenbezogenen Daten nach Maßgabe des § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BDSG a. F. nicht geltend machte (BAG vom 17.November 2016 – 2 AZR 730/15).