1. Aktueller Rechtsstand
a) Formerfordernis
Der Abschluss sowie die nachträgliche Änderung von Mietverträgen sind grundsätzlich formlos möglich. Etwas anderes gilt nach Maßgabe von § 550 BGB für Mietverhältnisse, die für eine längere Zeit als ein Jahr fest geschlossen werden. Werden diese nicht in schriftlicher Form geschlossen, gelten Sie als für unbestimmte Zeit geschlossen, so dass Sie auch vor Ablauf der zwischen den Parteien vereinbarten Festlaufzeit unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden können.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die Schriftform eines Mietvertrages im Sinne des § 550 BGB nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere über den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Für Vertragsänderungen gilt nichts anderes als für den Ursprungsvertrag. Sie müssen daher ebenfalls der Schriftform des § 550 BGB genügen, es sei denn, dass es sich um unwesentliche Änderungen handelt. Einigen sich die Parteien im laufenden Mietverhältnis beispielsweise auf eine Flächenerweiterung oder passen sie die vertraglich vereinbarte Miete an, ohne dies in einem schriftformkonformen Nachtrag zum Mietvertrag festzuhalten, stellt dies einen Schriftformmangel im Sinne des § 550 BGB mit den vorbeschriebenen Rechtsfolgen dar.
b) Praktische Folge und Kritik
Insbesondere Gewerberaummietverhältnisse werden in der Regel aufgrund der von beiden Parteien gewünschten Planungssicherheit sowie den erheblichen Investitionskosten für den Erstausbau für eine feste Laufzeit von bis zu zehn Jahren oder mehr abgeschlossen. Während dieser Festlaufzeit kann das Mietverhältnis grundsätzlich nur aus wichtigem Grund gekündigt werden, es sei denn, es liegt ein Schriftformverstoß vor, weil die Parteien beispielswiese eine wesentliche Vertragsvereinbarung nur per E-Mail getroffen haben, ohne dies nachträglich in einem schriftformkonformen Nachtrag zu dokumentieren.
Gerade vor diesem Hintergrund hat das Schriftformerfordernis in § 550 BGB in der Praxis des Mietrechts seit langem für Diskussionen und Unsicherheiten gesorgt. Ursprünglich war die Regelung als Schutzmechanismus gedacht, um die Transparenz und Nachvollziehbarkeit langfristiger Mietverträge für den Grundstückserwerber sicherzustellen, der nach Maßgabe von § 566 BGB kraft Gesetzes in ein bestehendes Mietverhältnis eintritt. In der Praxis hat sie jedoch oft als Hintertür für eine vorzeitige Vertragsauflösung gedient. Insbesondere im Bereich der Gewerberaummietverträge, auf die § 550 BGB aufgrund des entsprechenden Verweises in § 578 Abs. 1 BGB Anwendung findet, nutzen Vertragsparteien vorgeschobene Schriftformverstöße als Mittel, um sich vorzeitig von unliebsam gewordenen langfristigen Bindungen zu lösen. Dies führt zu einem erheblichen Kündigungsrisiko und Unsicherheiten für beide Vertragsparteien, die insbesondere im Zeitalter der Digitalisierung, in der die Korrespondenz nahezu ausschließlich per E-Mail erfolgt, nicht nur für den Laien kaum noch nachvollziehbar sind.
2. Herabstufung der Schriftform zur Textform
Mit dem am 29.10.2024 verkündeten Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV), das darauf abzielt, Unternehmen und Verwaltungen durch den Abbau bürokratischer Anforderungen zu entlasten, wurde das bisher geltende Schriftformerfordernis für gewerbliche Mietverhältnisse auf die weniger strenge Textform reduziert. Diese Änderung wurde gemäß Art. 14 BEG IV umgesetzt, indem der Verweis auf § 550 BGB in § 578 Abs. 1 S. 1 BGB entfernt und § 578 Abs. 1 BGB um einen zusätzlichen Satz ergänzt wurde, der wie folgt lautet:
„§ 550 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen wird, für unbestimmte Zeit gilt.“
Mit der Einführung der Textform entfällt daher die zwingende Notwendigkeit einer eigenhändigen Unterschrift. Stattdessen können Vertragsänderungen und -vereinbarungen künftig auch auf weniger formellen Wegen erfolgen, zum Beispiel per E-Mail oder elektronisches Dokument und auch ohne qualifizierte Signatur. Die Textform nach § 126b BGB verlangt schließlich nur, dass die Erklärung schriftlich abgefasst und der Absender klar erkennbar ist. Dies schafft mehr Flexibilität und ermöglicht es den Parteien, Absprachen schneller und unkomplizierter festzuhalten.
3. Inkrafttreten und Übergangsregelung
Die Neuregelung tritt nach Maßgabe von Art. 74 Abs. 1 BEG IV ab dem 01.01.2025 in Kraft, so dass für alle nach diesem Zeitpunkt geschlossenen Mietverhältnisse, die für eine längere Zeit als ein Jahr fest geschlossen werden, „nur noch“ das Textformerfordernis gilt.
Für Verträge, die vor dem 01.01.2025 geschlossen wurden, gilt nach Maßgabe der Neufassung des Art. 229 § 70 Abs. 1 EGBGB das bisherige Schriftformerfordernis für eine Übergangszeit von 12 Monaten, mithin bis einschließlich zum 01.01.2026. Wird jedoch eine Vertragsänderung ab dem 01.01.2025 vorgenommen, so ist bereits ab diesem Änderungszeitpunkt die neue Fassung des § 578 BGB für das gesamte Mietverhältnis anzuwenden.
Das bedeutet, dass sich die Vertragsparteien spätestens bis zum 01.01.2026 auf einen Schriftformmangel aus einem „Altvertrag“ berufen können werden, soweit sie ab dem 01.01.2025 keine Änderung oder Ergänzung dieses Vertragsverhältnisses vereinbart haben. Sollte eine Partei mithin die Kündigung eines (Alt)Mietverhältnisses auf einen Schriftformverstoß stützen wollen, muss sie Sorge dafür tragen, dass die Kündigung der anderen Partei vor dem 01.01.2026 zugeht.