Ein Dauerbrenner im Rahmen von arbeitgeberseitig ausgesprochenen Kündigungen: Man wartet unnötigerweise bis kurz vor Ablauf des Monats und spricht dann die Kündigung aus. Zumeist wird die Kündigung dann auch noch nicht persönlich übergeben, sondern per Post übermittelt. Zwischenzeitlich lernte man durch schmerzvolle Erfahrungen, dass dies nicht mittels Einschreiben Rückschein zu erfolgen hat, doch nun wartet die nächste Hürde.
Genügt bereits der Einwurf in den Haus-/Wohnungsbriefkasten am letzten Tag des Monats, damit die Kündigung noch an diesem Tag zugegangen zu sein?
Nein, nicht immer.
Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Bundesgerichtshofs (BGH) geht eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Hierfür genügt der Einwurf in den Briefkasten als zum Bereich des Empfängers gehörende von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtung.
Allerdings ist die Frage, ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, nach den "gewöhnlichen Verhältnissen" und den "Gepflogenheiten des Verkehrs" zu beurteilen.
So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Es ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Vielmehr ist im Interesse der Rechtssicherheit eine generalisierende Betrachtung geboten.
Sachverhalt
Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos gekündigt. Das Kündigungsschreiben vom 27. Januar 2017 (Freitag) wurde am selben Tag von Mitarbeitern gegen 13:25 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Die Postzustellung an dessen Wohnort ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (LAG) bis gegen 11:00 Uhr vormittags beendet.
Das LAG bejahte einen Zugang am 27. Januar 2017; indessen hob das BAG die Entscheidung auf und verwies die Sache zurück (BAG vom 22. August 2019 – 2 AZR 111/19).
Entscheidung
Nach Ansicht des BAG halten die Ausführungen des LAG zum Bestehen einer (gewandelten) Verkehrsanschauung in Bezug auf den Leerungszeitpunkt von Hausbriefkästen einer Überprüfung nicht stand.
Die vom LAG in Bezug genommenen "Normalarbeitszeiten während der Tagesstunden" eines "erheblichen Teils der Bevölkerung" lassen nach Überzeugung des BAG für sich allein keinen Rückschluss auf eine Verkehrsanschauung betreffend die Gepflogenheiten des Verkehrs hinsichtlich der Leerung eines Hausbriefkastens am Wohnort des Klägers zu.
Entgegen dem LAG könne man den Zeitpunkt der Leerung des Hausbriefkastens nicht auf 17:00 Uhr festlegen, dies sei willkürlich.
Tipp
Diese Entscheidung des BAG in von besonderer praktischer Relevanz, da man nicht mehr generell davon ausgehen kann, dass eine bis 16.59 Uhr in den Briefkasten eingeworfene Kündigung auch noch am selben Tag zugeht.
Vielmehr kommt es darauf an, wann üblicherweise in dem Viertel, wo sich der Briefkasten befindet, mit der Postzustellung zu rechnen ist. Die Frage nach einer Verkehrsanschauung ist regional unterschiedlich zu beurteilen und die Antwort kann sich im Lauf der Jahre ändern.
Und nun?
Grundsätzlich sollte der Arbeitgeber die Kündigung nicht erst am letzten Tag mittels Postzustellung dem Empfänger übermitteln. Persönliche Übergabe an den Empfänger ist der sicherste Weg oder die Kündigung wird rechtzeitig mit einem gewissen zeitlichen Puffer per Post auf den Weg gebracht. Die Erfahrung zeigt, dass der Ausspruch einer Kündigung in dem meisten Fällen zeitunkritisch erfolgen könnte und nicht bis zum Monatsende gewartet werden muss. Hier sollte sich der Arbeitgeber immer wieder selbst hinterfragen und sein Entscheidungs- und Zeitmanagement optimieren!
Letztlich ist die Entwicklung der Rechtsprechung genau zu beobachten.