Bislang sah das Bundesarbeitsgericht (BAG) Vertragsklauseln, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragsparteien bei Vertragsabschluss nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fällen gegen das Gesetz verstoßen, als wirksam an. Der 8. Senat hält an dieser Rechtsprechung nicht weiter fest. Vielmehr sollen von einer pauschalen Ausschlussklausel in den AGBs oder vorformulierten Vertragsbedingungen, wonach ausnahmslos alle Ansprüche verfallen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen vom Anspruchsinhaber geltend gemacht und eingeklagt werden, nunmehr auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung erfasst werden. Das war bis dato nicht der Fall.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über einen Schadensersatzanspruch der Arbeitgeberin. Im Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerin befand sich folgende Klausel:
"§ 13 Verfallsfristen: Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen."
Nachdem die Arbeitgeberin feststellte, dass mehrfach private Rechnungen mit Firmengeldern beglichen wurden und die Überweisungen hierzu von der Arbeitnehmerin gebucht wurden, erfolgte die Kündigung. Im Kündigungsschutzprozess machte die Arbeitgeberin widerklagend eigene und abgetretene Schadensersatzansprüche geltend. Die Kündigung war wirksam, wohingegen die Widerklage zurückgewiesen wurde.
Entscheidung
Die zulässige Revision war begründet. Das BAG verwies die Sache an das LAG zurück. Für das fortgesetzte Berufungsverfahren erteilte der 8. Senat die folgenden Hinweise: Entgegen der früheren Rechtsprechung des BAG werden Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung von einer pauschalen Ausschlussklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB – wie § 13 des Arbeitsvertrags – erfasst. Für von der Arbeitgeberin aus abgetretenem Recht geltend gemachte Ansprüche greift laut BAG die Verfallklausel allerdings schon deshalb nicht, weil sie ihren Ursprung gar nicht in dem Arbeitsverhältnis haben. Auch ein Verfall etwaiger Ansprüche aus eigenem Recht scheitere, denn § 13 des Arbeitsvertrags sei wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig. Dies führe nach § 306 Abs. 1 BGB mangels Teilbarkeit der Klausel zu ihrem vollständigen Fortfall unter Aufrechterhaltung des Vertrags. Die Arbeitgeberin müsse, obwohl Verwender, in die Klausel jedoch nicht nach den Grundsätzen über die personale Teilunwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen sich gelten lassen. Diese Grundsätze seien nicht anwendbar, wenn eine Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig sei. § 202 Abs. 1 BGB ergänze den Grundsatz des § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden dürfe. Diese Wertungsaussage dürfe nicht durch verjährungserleichternde Vereinbarungen ausgehöhlt werden; sie solle auch denjenigen schützen, der eine hiervon abweichende Bedingung in den Vertrag einbringen.
Fazit
Entgegen der bisherigen Rechtsprechung werden Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung jetzt doch von pauschalen Ausschlussklauseln erfasst. Sie müssen künftig also ausdrücklich ausgenommen werden, sonst ist die Klausel insgesamt nichtig.
Darauf kann sich allerdings nicht nur der Arbeitnehmer berufen, sondern auch der Arbeitgeber, obwohl er Verwender ist. Und da sich die Begründung des BAG dogmatisch zutreffend nicht nur auf den konkreten Fall – in dem es um Vorsatz ging – bezieht, müsste das auch bei Ansprüchen aus z.B. grober Fahrlässigkeit oder Bereicherung gelten.
Der Wortlaut einer Ausschlussklausel, wonach „alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben“ verfallen können, beziehe laut BAG also auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung mit ein. Erfasst seien danach alle Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben. Bei einer pauschalen Verfallklausel in den AGBs, von der nach ihrem Wortlaut ausnahmslos alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst werden, könne gerade nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien solche Ansprüche, die zur Nichtigkeit bzw. zur Unwirksamkeit der Verfallklausel führen, nicht einbeziehen wollten.
Praxishinweis
Diese bislang eher wenig beachtete entscheidung des BAG sollte - in jedem Fall auf Arbeitgeberseite - zum Anlass genommen werden, regelmäßig die eigenen Musterarbeitsverträge zu kontrollieren und anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu hinterfragen. Eine Auslegung dahin, dass Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung nicht erfasst würden, soll sich nunmehr nicht damit begründen lassen, dass es sich bei einem vorsätzlichen Vertragsverstoß und einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis um einen außergewöhnlichen, von den Vertragspartnern bei Vertragsabschluss nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fall handele.
Allein daraus, dass die Arbeitsvertragsparteien mit vorsätzlichen Vertragsverletzungen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen in besonders schwerer Weise gegen die ihnen aufgrund des Arbeitsvertrags oder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen obliegenden Verpflichtungen verstoßen, folge nicht, dass es sich hierbei um einen außergewöhnlichen Vorgang handelt, der aus Sicht der Arbeitsvertragsparteien von vornherein keiner Regelung bedürfe.
Vielmehr geht es auch bei vorsätzlichen Handlungen um Verhaltensweisen, die im Arbeitsleben erfahrungsgemäß immer wieder vorkommen können.
Und wieder einmal schließen wir mit dem Hinweis: Augen auf bei der Vertragsgestaltung!