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Bundeskartellamt veröffentlicht Leitlinien zur vorzeitigen Löschung aus dem Wettbewerbsregister

... und leitet öffentliche Konsultation zum Entwurfsdokument an.

Im März 2021 hat das Bundeskartellamt den Betrieb des Wettbewerbsregisters aufgenommen. Abfrageberechtigte Auftraggeber und mitteilungspflichtige Behörden steht seit dem die Registrierung offen. Seit Juni 2021 sind nun zudem interessierte Kreise aufgerufen, im Rahmen einer öffentlichen Konsultation zu zwei Entwurfsdokumenten des Bundeskartellamts Stellung zu nehmen: (i) zu dem Entwurf der „Leitlinien zur vorzeitigen Löschung einer Eintragung aus dem Wettbewerbsregister wegen Selbstreinigung“ und (ii) den „Praktischen Hinweisen für einen Antrag“.

Das Wettbewerbsregister soll als elektronische Datenbank einen Beitrag zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und Kartellverstößen leisten. So soll es möglich werden, mit einer einzigen Abfrage deutschlandweit zu prüfen, ob an einer Ausschreibung beteiligte Unternehmen wegen bestimmter Wirtschaftsdelikte vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden müssen oder können.

Entscheidend für Unternehmen ist daher vor allem, welche Informationen für Ausschlussgründe gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) §§ 123, 124 in das Register aufgenommen werden und wie lange sie gespeichert bleiben. Gerade für Unternehmen, die vorwiegend für öffentliche Auftraggeber tätig sind, kann eine Eintragung bis an den Rand der Existenz führen. Aus diesem Grunde rückt gerade in solchen Fällen der Antrag auf vorzeitige Löschung der Eintragung aus dem Wettbewerbsregister nach § 8 Abs. 1 WRegG und damit die Möglichkeit der Selbstreinigung gem. § 125 GWB in den Fokus. Die nun in der Konsultation befindlichen Leitlinien wurden entsprechend mit Spannung erwartet.

Was regeln die Leitlinien zur vorzeitigen Löschung aus dem Wettbewerbsregister wegen Selbstreinigung?

Das Bundeskartellamt legt mit den Leitlinien Grundsätze fest, wie es in seiner Funktion als Registerbehörde die Vorschriften zur vorzeitigen Löschung einer Eintragung aus dem Wettbewerbsregister wegen Selbstreinigung anwenden wird. Mit Blick auf den Antrag auf Löschung aus dem Wettbewerbsregister soll der eingeschränkte Amtsermittlungsgrundsatz gelten. Danach müsse das Unternehmen für eine vorzeitige Löschung alle Voraussetzungen der Selbstreinigung nach § 125 GWB erfüllen und gegenüber der Registerbehörde selbst darlegen und beweisen; eine eigene weitergehende Ermittlung der Registerbehörde ist danach nicht erforderlich. Folglich trägt das Unternehmen im Falle eines unzureichenden Antrages das Risiko, dass der Antrag auf vorzeitige Löschung – unter Umständen ohne Rückfrage – abgelehnt wird.

Was sind die Voraussetzungen für eine vorzeitige Löschung der Eintragung aus dem Wettbewerbsregister wegen Selbstreinigung?

Als Voraussetzung einer vorzeitigen Löschung muss der Antrag nach den Leitlinien-Entwürfen zulässig und begründet sein. Dazu muss das Unternehmen ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Löschung glaubhaft machen. Dazu geeignet ist nach den Leitlinien die möglichst konkrete Darlegung, dass das Unternehmen an Vergabeverfahren teilnimmt oder dies beabsichtigt und inwieweit es wirtschaftlich auf öffentliche Aufträge angewiesen ist. Begründet ist der Löschungsantrag, wenn die drei kumulativen Voraussetzungen der Selbstreinigung entsprechend § 125 GWB für die Zwecke des Vergabeverfahrens nachgewiesen wurden. 

  1. Das Unternehmen muss Kompensation für verursachte Schäden leisten bzw. sich dazu für die Zukunft verpflichten. Hierbei können – auch nach den insoweit eher rudimentären Ausführungen der Leitlinien – gerade im Bereich der Kartellordnungswidrigkeiten die Aufklärung des tatsächlich entstandenen Schadens problematisch sein. Insbesondere könne es einen großen Kreis potentiell Geschädigter geben.
  2. Das Unternehmen muss mit den Behörden aktiv kooperieren.
  3. Das Unternehmen muss konkrete Compliance-Maßnahmen sowie personelle Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, ein künftiges vergleichbares Fehlverhalten zu vermeiden.

Welche Anforderungen werden an die Compliance-Maßnahmen gestellt?

Die getroffenen Compliance-Maßnahmen müssen die künftige Vermeidung eines vergleichbaren Fehlverhaltens gewährleisten. Von tragender Bedeutung sind in diesem Kontext nach den Leitlinien-Entwürfen die Standards effektiver Compliance. Zudem müssten sich die Compliance-Maßnahmen an den konkreten Gegebenheiten des betroffenen Unternehmens sowie den konkreten Umständen des der Eintragung zugrundeliegenden Fehlverhaltens ausrichten.

Was genau versteht man unter den Standards effektiver Compliance?

In seinen „Praktischen Hinweisen für einen Antrag auf vorzeitige Löschung aus dem Wettbewerbsregister wegen Selbstreinigung“ hat das Bundeskartellamt näher umrissen, was unter den Standards effektiver Compliance zu verstehen sei. Neben einer Darstellung grundsätzlicher Aspekte enthalten die praktischen Hinweise einen beispielhaften Fragenkatalog, aus dem sich ergibt, was das Bundeskartellamt bezüglich der Compliance-Maßnahmen als besonders relevant erachtet.

Die Standards effektiver Compliance verlangten eine Risikoanalyse, im Rahmen derer festzustellen ist, welche Risiken das Fehlverhalten herbeigeführt haben und wodurch diese Risiken bedingt sind. Auf Grundlage dieser Ergebnisse soll das Unternehmen konkrete Anpassungen der Organisations- und Aufsichtsstruktur vornehmen. Denkbar seien beispielsweise Anpassungen in IT-Systemen oder die Einführung eines Vier-Augen-Prinzips.

Ein wesentlicher Bestandteil effektiver Compliance-Maßnahmen sei zudem das unmissverständliche Bekenntnis der Unternehmensleitung zu rechtskonformen Handeln. Die Ernsthaftigkeit der Bestrebungen müsse von der Unternehmensleitung durch konkrete Maßnahmen belegt werden.

Darüber hinaus sei eine sorgfältige Auswahl, Schulung und Kontrolle der Unternehmensbeschäftigten erforderlich. Dies gelte vor allem für diejenigen Mitarbeiter, die in identifizierten Risikobereichen Entscheidungsbefugnisse haben. Ferner legt das Bundeskartellamt Wert auf einen angemessenen Umgang mit internen und externen Hinweisen auf ein etwaiges Fehlverhalten des Unternehmens. Die Einrichtung eines vertraulichen Hinweisgebersystems zur Meldung von Zuwiderhandlungen könne einen wesentlichen Beitrag zur Aufdeckung von Verstößen leisten.

Um rechtskonformes Verhalten aktiv einzufordern, könnten Anreize für die Beachtung der Compliance-Anforderungen gesetzt werden. Auch sei es wichtig, Zuwiderhandlungen konsequent zu ahnden. Die Effektivität der Compliance-Maßnahmen setze voraus, dass die für die Einhaltung verantwortlichen Personen mit angemessenen Ressourcen und Kompetenzen ausgestattet sind, damit sie ihre Funktionen unabhängig und durchsetzungskräftig wahrnehmen können. Den Leitlinien zufolge muss klar sein, wer im Unternehmen die Verantwortung für die Einführung und Durchsetzung der Compliance-Maßnahmen trägt.

Schließlich trügen Regeln zur Evaluation und Anpassung der Compliance-Maßnahmen zu deren Wirksamkeit bei. Denn die erforderlichen Compliance-Maßnahmen könnten sich im Laufe der Zeit ändern.

Welche Anforderungen werden an die personellen Maßnahmen gestellt?

Auch nach den Leitlinien-Entwürfen stehen die personellen Maßnahmen in einem engen Zusammenhang mit den Compliance-Maßnahmen. Auch sie sollen verhindern, dass sich das Fehlverhalten wiederholt. Gegebenenfalls lasse der Umgang eines Unternehmens mit den handelnden Personen im Einzelfall Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit des Bemühens um Compliance zu. Ebenfalls mit Blick auf die personellen Maßnahmen sei eine Einzelfallbetrachtung maßgeblich. So seien nicht in jedem Fall scharfe personelle Maßnahmen zu treffen. Allerdings sei bei einem Verzicht darauf darzulegen, inwiefern der Verzicht aus Sicht des Unternehmens angemessen ist. In jedem Fall müsse das Unternehmen angeben, welche Personen an dem Fehlverhalten konkret beteiligt waren. Im Regelfall sei eine namentliche Benennung der betreffenden Personen erforderlich.

Auswirkungen der Leitlinien des Bundeskartellamtes: Eine erste Einschätzung

Die Leitlinien des Bundeskartellamtes zur vorzeitigen Löschung aus dem Wettbewerbsregister wegen Selbstreinigung schaffen mit Blick auf die Anforderungen an die Compliance-Maßnahmen grundsätzlich mehr Transparenz– dies ist zu begrüßen. Allerdings bleibt die Handhabung einzelner Aspekte weiterhin vage bzw. ist in den Leitlinien-Entwürfen abstrakt gehalten. So etwa bezüglich der Aufklärung des tatsächlich entstandenen Schadens in der Fallgruppe der Kartellordnungswidrigkeiten, die im Rahmen der Selbstreinigung erhebliche Probleme bereiten dürfte. Hier bleibt zu hoffen, dass die Leitlinien nach ersten praktischen Erfahrungen der Registerbehörde „nachgeschärft“ werden. Letztlich bleibt bei den Unternehmen trotz erster Anhaltspunkte in den Leitlinien-Entwürfen ein erheblicher Beratungsbedarf, wie im Einzelfall welche Maßnahme für eine erfolgreiche Selbstreinigung angemessen umzusetzen ist.

Dr. Christian Müller

Rechtsanwalt

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