Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH ist bei europarechtskonformer Auslegung insoweit als Arbeitnehmer im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG anzusehen, wie bei einer Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrages der sachliche Anwendungsbereich des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG eröffnet ist (BGH, Urteil vom 26. März 2019 – II ZR 244/17).
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung eines Geschäftsführervertrags. Kläger war der Geschäftsführer der beklagten GmbH. Nach Maßgabe des Anstellungsvertrages hatte jede Partei ab Vollendung des 61. Lebensjahrs des Geschäftsführers das Recht, den befristet geschlossenen Dienstvertrag mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende zu kündigen. Im Anschluss daran hatte der Geschäftsführer Anspruch auf Ruhegehalt in der Höhe, die er erreicht hätte, wenn der Vertrag regulär ausgelaufen wäre. Nach mehrfacher Verlängerung des Dienstvertrages und Veräußerung der Beklagten, wurde der Geschäftsführer dann von seinem Amt abberufen und widerruflich freigestellt. In der Folgezeit kündigte die Beklagte den Dienstvertrag. Die Klage gegen die Kündigung blieb in den Vorinstanzen erfolglos.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt zunächst fest, dass es sich bei der Kündigung durch die Beklagte gleichwohl um eine Frage der Anwendung des AGG handelt, da § 2 Abs. 4 AGG, der in Bezug auf Kündigungen vorrangig die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes zur Anwendung bringt, nicht einschlägig ist. Vielmehr findet das KSchG auf den Kläger als Geschäftsführer keine Anwendung, sodass der Kündigungsausschluss des § 2 Abs. 2 AGG nicht zum Tragen kommen kann.
Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereiches des AGG auf einen Fremdgeschäftsführer führt der BGH aus, dass dieser nicht bereits aufgrund § 6 Abs. 3 AGG eröffnet ist, da Entlassungsbedingungen wie die hier in Rede stehende nicht von der Norm umfasst sind. Auch eine europarechtskonforme Interpretation ändert hieran nichts, da eine solche bezogen auf eine Kündigung contra legem wäre.
Davon unbenommen ist der Fremdgeschäftsführer jedoch bei europarechtskonformer Auslegung jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer i. S. v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG anzusehen, wie bei einer Kündigung des Anstellungsvertrages der sachliche Anwendungsbereich des AGG eröffnet ist. Dies folgt daraus, dass die zugrundeliegende RL 2007/78/EG den Arbeitnehmerbegriff weiter als das deutsche Recht versteht. Anhand der in diesem Zusammenhang ergangenen EuGH-Rechtsprechung sei an dessen Endeutigkeit nicht zu zweifeln, weshalb es keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bedürfe.
Weiterhin sei eine entsprechend vorliegende Altersdiskriminierung auch nicht aufgrund der Anwendung des § 10 AGG gerechtfertigt. Weder ein legitimes Ziel sei dargelegt worden, noch mangele es an einer Kündigung.
Praxishinweis
Eigentlich könnte man sagen: Na und?
Doch weit gefehlt!
Die Entscheidung hat tiefgreifende Bedeutung für die Beratung zu Geschäftsführerverträgen. Wenngleich sie sich nach ihrem Leitsatz auf die Einordnung von Fremdgeschäftsführern einer GmbH als unionsrechtliche Arbeitnehmer für den Fall der Kündigung beschränkt, gehen die Entscheidungsgründe hierüber weit hinaus.
Die Begründung des II. Senats legt nahe, dass Fremdgeschäftsführer stets als Arbeitnehmer im unionsrechtlichen Sinne anzusehen sind und daher sämtliche unionsrechtlichen Arbeitnehmerschutzvorschriften Anwendung finden.
Fragt sich nur, ob genau dies beabsichtigt war und man die weitreichenden Konsequenzen bedachte, zumal der BGH hier im Revier des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) wildert.
In jedem Fall sollte sich die Beratungspraxis hiermit beschäftigen und in jedem Einzelfall aufs Neue entscheiden, ob und inwieweit man (zumindest) behauptet, der Fremdgeschäftsführers sei ein kündigungsschutzrechtlich geschützter Arbeitnehmer. Zudem gilt es die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung des BGH und des BAG im Auge zu behalten. Was sonst!