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Verzeichnispflicht bei Vermögenserwerb minderjähriger Kinder

Ein kaum bekannter Anspruch der Halbwaisen gegen die Witwen

Wenn ein Elternteil verstirbt und den verwitweten Ehepartner mit  einem minderjährigen Kind - oder gar mehreren - hinterlässt, muss dieser das Leben für sich und das Kind oft von Grund auf neu organisieren. Nur selten denkt der überlebende Elternteil daran, das Vermögen zu erfassen, dass der verstorbene Elternteil (auch) dem Kind hinterlassen hat. Während aber nach und nach die Zeit die Wunden heilt, die der Verlust des verstorbenen Ehepartners und Elternteils gerissen hat, verjährt der Anspruch des halbwaisen Kindes gegen den verwitweten Elternteil noch lange nicht.

Elternpflicht Vermögensverzeichnis

Erwirbt ein minderjähriges Kind von Todes wegen Vermögen im Wert von mehr als 15.000 EUR, so sind dessen Eltern verpflichtet, hierüber ein Verzeichnis zu erstellen. Dieses Verzeichnis ist mit der Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit zu versehen und dem Familiengericht einzureichen. Diese Pflicht der Eltern gegenüber ihrem minderjährigen Kind gilt nicht nur für Vermögen, das das Kind als Erbe oder Vermächtnisnehmer beim Tod eines Dritten oder als Begünstigter einer Lebensversicherung erwirbt. Diese Pflicht gilt auch dann, wenn das Kind Vermögen infolge des Todes eines Elternteils erwirbt. In diesem Fall ist das Verzeichnis des erworbenen Vermögens von dem überlebenden Elternteil zu erstellen und dem Gericht einzureichen.

Nicht geltend gemachter Pflichtteil

Erstaunlicherweise besteht diese Pflicht des verwitweten Elternteils selbst dann, wenn das minderjährige Kind scheinbar nichts erwirbt, weil es enterbt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Eltern sich durch ein sogenanntes Berliner Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben und das Kind erst nach dem Tod beider Elternteile erben soll. In einem solchen Fall ist das Kind beim Tod des zuerst versterbenden Elternteils enterbt und infolgedessen pflichtteilsberechtigt. Der zu verzeichnende Vermögenswert ist dann der Anspruch des minderjährigen Kindes auf den Pflichtteil am Nachlass des verstorbenen Elternteils. Der verwitwete Elternteil hat den Pflichtteilsanspruch des halbwaisen Kindes unter Mitteilung des Nachlasswerts und der Pflichtteilsquote des Kindes dem Familiengericht einzureichen. Die Pflicht gilt unabhängig davon, ob der Anspruch tatsächlich geltend gemacht wird oder nicht. Falls die Eltern in ihrem gemeinschaftlichen Testament verfügt haben, dass der verwitwete Elternteil nur Vorerbe und das Kind Nacherbe sein soll, so müssen in dem Vermögensverzeichnis auch die Gegenstände angegeben werden, aus denen der Nachlass sich zusammensetzt.

Schadenersatzanspruch

Unterlässt der verwitwete Elternteil die Erstellung und Einreichung des Vermögensverzeichnisses, macht er sich möglicherweise gegenüber dem minderjährigen Kind schadenersatzpflichtig.

Keine Verjährung bis zum 24. Lebensjahr

Der Anspruch des minderjährigen Kindes auf Erstellung des Vermögensverzeichnisses verjährt nicht, solange das Kind sein 24. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Das Gleiche gilt übrigens auch für den Pflichtteilsanspruch des Kindes gegen seinen verwitweten Elternteil. Hierdurch bietet sich jungen Erwachsenen, die als Minderjährige Halbwaisen geworden sind, die Chance, ihren schon verloren geglaubten Pflichtteil am Vermögen des verstorbenen Elternteils noch mit Erfolg geltend zu machen.

Gestaltungsmöglichkeiten durch Testament

Die Eltern können allerdings durch letztwillige Verfügung vorsorglich Anordnungen treffen, die im Falle ihres Todes die Verwaltung des Vermögens des minderjährigen Kindes durch den verwitweten Elternteil abweichend regeln und die Geltendmachung des Pflichtteils unattraktiv machen. Für Eheleute und Eltern, die ein Testament errichten wollen, ist also entscheidend, ob der verwitwete Ehegatte geschützt werden soll oder ein Interesse an der Übertragung von Vermögen in die nächste Generation besteht.

Friedrich Vosberg

Rechtsanwalt, Counsel,

Zertifizierter Datenschutzbeauftragter (TÜV)

 

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