Anfang 2021 soll das neue Wettbewerbsregister beim Bundeskartellamt als Registerbehörde „live“ gehen. Es soll als elektronische Datenbank deutschlandweit eine zentrale Stelle für Auftraggeber in Vergabeverfahren bieten. Ob an einer Ausschreibung beteiligte Unternehmen wegen bestimmter Wirtschaftsdelikte vom Verfahren ausgeschlossen werden müssen oder können, ist auf Basis der im Wettbewerbsregister bereitgestellten Informationen zu prüfen. Das Wettbewerbsregister ersetzt damit unter anderem die Aufgaben des Gewerbezentralregisters.
Rechtliche Grundlage des Wettbewerbsregisters ist das Wettbewerbsregistergesetz (WRegG), das bereits im Jahr 2017 in Kraft getreten ist. Inhaltliche Konkretisierung soll das Wettbewerbsregistergesetz durch die Wettbewerbsregisterverordnung (WRegVO) erhalten, die am 16. November 2020 als Entwurf veröffentlicht wurde.
Entscheidend für Unternehmen ist danach vor allem, welche Informationen für Ausschlussgründe gemäß §§ 123, 124 GWB in das Register aufgenommen werden und wie lange sie gespeichert bleiben.
Was wird im Wettbewerbsregister erfasst?
Zwingend in das Wettbewerbsregister eingetragen wird eine große Bandbreite an wirtschaftsstrafrechtlichen Tatbeständen, die in § 2 WRegG i.V.m. § 123 GWB abschließend aufgezählt sind. Dazu zählen rechtskräftige Strafurteile und -befehle unter anderem wegen Geldwäsche, Betrug, Subventionsbetrug, Bestechlichkeit und Bestechung, Vorteilsgewährung, Steuerhinterziehung, aber auch wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen.
Besonders weitreichend ist zudem, dass kartellrechtliche Bußgeldentscheidungen unabhängig von ihrer Bestandskraft zu einer Eintragung führen. Damit kommt es für eine Eintragung ins Wettbewerbsregister nicht auf die letzte gerichtliche Entscheidung an. Entsprechend können also auch unrechtmäßige Kartellbußgeldentscheidungen, die gegebenenfalls erst Jahre später durch gerichtliche Überprüfung (teilweise) aufgehoben werden, in das Wettbewerbsregister eingetragen werden.
Wer hat Zugriff auf die Eintragungen im Wettbewerbsregister? Wer kann und wer muss Einsicht nehmen?
Das Wettbewerbsregister ist grundsätzlich nicht öffentlich einsehbar. Die Verpflichtung beziehungsweise die Befugnis zur Abfrage der Eintragungen ist in § 6 WRegG geregelt: Danach sind öffentliche Auftraggeber (gem. § 99 GWB) vor der Erteilung eines Zuschlags bei öffentlicher Vergabe mit einem geschätzten Auftragsvolumen von über EUR 30.000 (ohne USt.) verpflichtet, die Eintragungen des Wettbewerbsregisters abzufragen, jedenfalls mit Blick auf das Unternehmen, das den Zuschlag erhalten soll. Eine vergleichbare Abfragepflicht besteht für Sektorenauftraggeber (§ 100 GWB) und Konzessionsgeber (§ 101 GWB), sofern die Schwellenwerte des § 106 GB erreicht werden. Darüber hinaus eröffnet § 6 WRegG eine freiwillige Abfragemöglichkeit für die benannten Auftraggeber auch unterhalb der Wertgrenzen.
Es ist zudem zu erwarten, dass im nichtöffentlichen Vergabeverfahren und bei anderen größeren privatwirtschaftlichen Ausschreibungen von den Auftraggebern zunehmend eine sogenannte Selbstauskunft abgefragt wird, bei der die an der Ausschreibung beteiligten Unternehmen mit ihren Unterlagen auch einen aktuellen Auszug aus dem Wettbewerbsregister einreichen müssen. Das Bundeskartellamt hat angedeutet, dass eine solche Praxis möglich erscheint. Nach § 5 Abs. 2 WRegG besteht ein Anspruch auf Selbstauskunft durch die Unternehmen selbst, so dass sie ihre Eintragung (gegen eine Gebühr von 20 Euro) überprüfen können.
Um die Vertraulichkeit der Registereintragungen zu wahren, soll nach dem WRegVO-Entwurf für eine Abfrage beim Wettbewerbsregister Voraussetzung sein, dass der Auftraggeber sich zuvor registriert und bestimmte elektronische Datenübermittlungsstandards nutzt. Zur genauen Identifizierung des abgefragten Unternehmens sollen neben den spezifischen Unternehmensangaben (Firma, Rechtsform, Postanschrift sowie Registergericht, Registerart, Registernummer und Umsatzsteueridentifikationsnummer) auch eine Kurzbeschreibung des zugrundeliegenden Vergabeverfahrens sowie eine Fundstelle der amtlichen Bekanntmachung anzugeben sein.
Wie lange werden die Eintragungen im Wettbewerbsregister gespeichert?
Für Delikte, die einen zwingenden Ausschlussgrund (§ 123 GWB) darstellen, wird eine Eintragung im Wettbewerbsregister grundsätzlich nach fünf Jahren gelöscht; nach drei Jahren bei Delikten, die Gegenstand eines fakultativen Ausschlussgrunds (§ 124 GWB) sein können. Die Löschungsfrist endet für Straftaten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, c und d WRegG spätestens nach Ablauf von fünf Jahren ab dem Tag der Rechtskraft der zugrundeliegenden Entscheidung. Bei den Eintragungen nach § 2 Abs. 2 WRegG erfolgt die Löschung spätestens nach Ablauf von drei Jahren ab dem Erlass der Bußgeldentscheidung. Im Übrigen – und dies gilt damit auch für kartellrechtliche Bußgeldentscheidungen – werden die Eintragungen spätestens nach Ablauf von drei Jahren ab dem Tag gelöscht, an dem die Entscheidung unanfechtbar geworden ist. Sofern es zu mehreren Eintragungen wegen eines Fehlverhaltens kommt, ist der Ablauf der längeren Frist für die Löschung maßgeblich.
Bei Selbstreinigung frühere Löschung möglich
Statt eine Löschung durch Fristablauf abzuwarten, haben Unternehmen die Möglichkeit durch eine sogenannte Selbstreinigung eine Löschung vor Fristablauf zu erreichen. Dies ist dann möglich, wenn das betroffene Unternehmen in einem Antrag über ein elektronisches Standardformular nachweist, dass es mit den Ermittlungsbehörden aktiv kooperiert, Kompensation leistet bzw. sich dazu für die Zukunft verpflichtet und konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen hat, um ein künftiges vergleichbares Fehlverhalten zu verhindern. Zum Nachweis der entsprechenden Voraussetzungen empfiehlt es sich, eine anwaltliche Beurteilung der Selbstreinigungsmaßnahmen erstellen zu lassen, deren Ergebnisse dem Antrag beigegefügt werden können. Nach dem am 16. November 2020 veröffentlichten WRegVO-Entwurf kann die Registerbehörde sogar fordern, dass ein „geeignetes Gutachten zur Bewertung der vorgenommenen Selbstreinigungsmaßnahmen“ vorgelegt wird. Der Gutachter muss dabei „sachkundig und unabhängig“ sein. Für den Fall einer Ablehnung des Löschungsbegehrens kann gegen die Entscheidung beim Oberlandesgericht Beschwerde eingelegt werden.
In der praktischen Umsetzung werfen die einzelnen Voraussetzungen der Selbstreinigung auch unter Berücksichtigung des WRegVO-Entwurfs noch diverse Fragen auf. Vor diesem Hintergrund ist es im Einzelfall genau zu prüfen, ob, wann und unter welchen Bedingungen eine Selbstreinigung tatsächlich für das jeweilige Unternehmen zweckdienlich ist. Die in § 8 Abs. 5 WReG vorgesehenen Leitlinien des Bundeskartellamts sind insofern mit großem Interesse zu erwarten.
Auswirkungen des Wettbewerbsregisters: Eine erste Einschätzung
Mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben, den Entwurf der WRegVO und die bisherigen Verlautbarungen des Bundeskartellamts ist festzustellen, dass eine Eintragung in das neu eingeführte Wettbewerbsregister Unternehmen, die vorwiegend für öffentliche Auftraggeber tätig sind, an den Rand der Existenz führen kann. Gerade in solchen Fällen rückt die Möglichkeit der Selbstreinigung gem. § 125 GWB in den Fokus. Wie die Entscheidungspraxis mit den genauen Anforderungen ausgestaltet wird, wird sich zeigen. Überdies hat die Frage der Selbstreinigung auch weitreichende Auswirkungen auf die strategische Verteidigung in einem Bußgeldverfahren, insbesondere auf die Frage, ob von der Bonusregelung des Bundeskartellamts Gebrauch gemacht werden sollte.