Das Verbot von Preisbindungen zweiter Hand bleibt weiterhin ein wichtiges Thema in der Verfolgungspraxis der Wettbewerbsbehörden. Dies hat das Bundeskartellamt jüngst in einem Verfahren betreffend die Preissetzung beim Verkauf von Musikinstrumenten bewiesen und die Einschränkungen des Preiswettbewerbs gegenüber den Verbrauchern gerügt. Zugleich werden im aktuell zur Konsultation veröffentlichten Entwurf der Leitlinien zur überarbeiteten Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung erfreulicherweise weitere Konkretisierungen geboten.
Ausgangspunkt: Hinweise aus dem Markt
In verschiedenen Entscheidungen hat das Bundeskartellamt zwischen September 2020 und Juni 2021 Bußgelder gegen drei Hersteller und zwei Händler von Musikinstrumenten in Höhe von insgesamt rund EUR 21 Mio. verhängt. Dabei soll es sowohl zu einer vertikalen Preisbindung zwischen den Herstellern als auch zu horizontalen Preisabsprachen zwischen den Händlern gekommen sein.
Betroffene Unternehmen sind die Yamaha Music Europe GmbH aus Rellingen, die Roland Germany GmbH aus Rüsselsheim und die Fender Musical GmbH aus Düsseldorf. Bei den Händlern von Musikinstrumenten handelt es sich um die Thomann GmbH aus Burgedach und die MUSIC STORE professional GmbH aus Köln.
Das Verfahren wurde 2018 infolge von Hinweisen aus dem Markt angestoßen und begann mit einer Durchsuchung der betroffenen Unternehmen.
Vorgeworfene Verhaltensweisen
Bei den vertikalen Preisabstimmungen wurde durch die Hersteller insbesondere ein bestimmter Mindestpreis für den Verkauf an Endkunden festgesetzt. Hierzu bestand zwischen Yamaha und jedenfalls den führenden Musikinstrumentenfachhändlern Thomann und Music Store im Zeitraum von knapp 12 Jahren das Einvernehmen, beim Vertrieb der Musikinstrumente an Endkunden bestimmte Mindestverkaufspreise nicht zu unterschreiten. Yamaha hatte zur Überwachung zeitweise auch eine Price-Tracking-Software eingesetzt. Kam es zu Unterschreitungen des Mindestpreises, wurden die Händler gedrängt, die Preise wieder anzuheben. Ebenso wurden marktweite Preisanhebung zu bestimmten Terminen („Deadlines“) kommuniziert. Bei Nichtumsetzung wurden in vereinzelten Fällen Sanktionen wie Lieferstopp oder Vertragsbeendigung angedroht bzw. verhängt.
In ähnlicher Form kam es zu einer vertikalen Preisabstimmung zwischen Roland und den Musikinstrumentenhändlern Thomann und Music Store. Auch hier wurden Mindestverkaufspreise festgelegt als sog. Streetpreise, Straßenpreise „unverbindlicher Street Preis“ (USP), „Web Advertised Price“ (WAP) oder „Minimum Advertised Price“ (MAP) etc. Roland hat deutschlandweit gegenüber den Abnehmern Mindestpreise kommuniziert und deren Einhaltung gefordert. Konkret wurde gefordert, dass der Kundenendverkaufspreis nicht den Händlereinkaufspreis multipliziert mit einem bestimmten Faktor unterschreiten darf. Die Streetpreise hat Roland auf seinen Preislisten ausgewiesen. Wurden diese nicht eingehalten und es kam zu einer Unterschreitung, wurden die Händler um Anhebung der Preise gebeten. Auch hier kam es in einzelnen Fällen zu Sanktionen wie Lieferstopp oder Vertragsbeendigung.
Auch Fender hat gegenüber den Musikinstrumentenhändlern Mindestpreise kommuniziert. Händler sollten Fender-Produkte demnach mit einer Marge von mindestens 25 Prozent auf den Einkaufspreis verkaufen. Fender kommunizierte dieses Vorhaben telefonisch und in persönlichen Gesprächen. Das Außendienst-Team von Fender bewegte die Händler zur Anpassung der Preise, falls diese den Mindestpreis unterschritten. Ferner wurden hier auch vereinzelt Sanktionen wie Lieferstopp oder Konditionenkürzung angedroht bzw. verhängt.
Die Hersteller haben die Einhaltung der Mindestpreise teilweise nur sporadisch überwacht, wie zum Beispiel bei Verkäufen in Ladengeschäften oder individuell verhandelten Preisen. Die Händler wiesen die Hersteller ihrerseits vermehrt auf (zu) niedrige Preise bei anderen Musikfachinstrumentenhändlern hin und beschwerten sich über ein zu niedriges Preisniveau.
Neben den vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen rügte das Bundeskartellamt horizontale Preisabsprachen zwischen den Händlern Thomann und Music Store. In insgesamt 13 Fällen im Zeitraum hatten die Händler Absprachen über Preiserhöhungen ausgewählter Produkte getroffen, was nach den Feststellungen des Bundeskartellamts allerdings jeweils nur einen kurzzeitigen Effekt hatte.
Bei der Bußgeldfestsetzung berücksichtigte das Bundeskartellamt die Kooperation der Hersteller und Händler und traf die Entscheidungen nach einvernehmlicher Verfahrensbeendigung (sog. Settlement) mit den betroffenen Unternehmen.
„Lessons-learned“ und Ausblick
Das Musikinstrumente-Verfahren des Bundeskartellamts zeigt erneut, dass Hersteller aber auch Händler in ihrer Kommunikation äußerst vorsichtig sein müssen. Aufforderungen dazu, bestimmte Verkaufspreise zu beachten oder gar diesbezügliche Drohungen können einen Verstoß gegen das Preisbindungsverbot zweiter Hand begründen. Auch die Ausgestaltung des Preis- und Konditionensystems selbst sollte unter Berücksichtigung der kartellrechtlichen Vorgaben erfolgen und insofern Missverständnissen vorbeugen. Mit Blick auf die zum Teil schwer praktikablen Anforderungen aus der Entscheidungspraxis ist erfreulich, dass die Europäische Kommission in dem Leitlinienentwurf zu der überabeiteten Gruppenfreistellungsverordnung betreffend Vertikalverhältnisse beabsichtigt, nunmehr weitere Hinweise zum Preisbindungsverbot zu geben und insbesondere klarstellt, dass nicht jede Vereinbarung über Absatzpreise ein per se-Kartellverstoß darstellt. Vielmehr müsse man richtigerweise auch die wettbewerbsfördernden Effekte von Preisbindungen im Einzelfall berücksichtigen. In welcher Form sich diese Entwurfspassage allerdings in den tatsächlichen Vertikal-Leitlinien wiederfindet, die sich noch bis Ende September 2021 in der öffentlichen Konsultation befinden, ist noch Zukunftsmusik.