Betriebsratsmitglieder haben Anspruch auf Freizeitausgleich, wenn sie für ihr Ehrenamt als Betriebsratsmitglied ihre Freizeit opfern. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, er habe den Arbeitnehmer vorab von der Nachtschicht freigestellt. Der Ausgleichsanspruch kann nicht rückwirkend gewährt werden (BAG vom 15. Mai 2019 - 7 AZR 396/17).
Sachverhalt
Das nicht freigestellte Betriebsratsmitglied ist in vollkontinuierlicher Wechselschicht beschäftigt, so dass auf eine Woche Frühschicht eine Woche Arbeit in der Spätschicht, darauf eine Woche Nachtschicht und sodann eine Freiwoche folgt. Häufig finden am ersten Tag seiner Freiwoche Betriebsratssitzungen statt. Dafür stellt der Arbeitgeber ihn in der vorhergehenden Nachtschicht für acht Stunden von der Arbeitsleistung frei und zahlt seine Vergütung fort.
Dennoch verlangt der Arbeitnehmer für die Zeit der Betriebsratssitzungen eine Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto. Er ist der Auffassung, sein Chef müsse ihm Freizeitausgleich für die Zeit gewähren, in der er außerhalb seiner Arbeitszeit Betriebsratstätigkeiten wahrnimmt.
Der Arbeitgeber ist der Meinung, ein Ausgleich sei durch die Freistellung von der Nachtschicht bereits erfolgt. Es sei dem Betriebsratsmitglied daher – im Verhältnis zu seiner persönlichen Arbeitszeit – keine zusätzliche zeitliche Belastung entstanden. Betriebsratstätigkeit liege nur dann "außerhalb der Arbeitszeit" im Sinne von § 37 Abs. 3 BetrVG, wenn die persönliche Arbeitszeit bereits durch Arbeitsleistung oder Betriebsratstätigkeit ausgefüllt gewesen sei.
Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gibt dem Betriebsratsmitglied in vollem Umfang Recht. Für während der Freizeit geleistete Betriebsratstätigkeit besteht immer ein Anspruch auf Freizeitausgleich. Für diesen reicht es nicht, den Arbeitnehmer einfach vorab von der Nachtschicht freizustellen. Es muss an einem anderen Arbeitstag bezahlte Arbeitsbefreiung gewährt werden. Nur dann ist es ein echter Freizeitausgleich.
Es gilt also:
- Muss ein Betriebsratsmitglied aus betriebsbedingten Gründen Betriebsratstätigkeit außerhalb seiner Arbeitszeit durchführen, steht ihm ein entsprechender Freizeitausgleich unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu.
- Der Anspruch besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied in der vorhergehenden Nachtschicht nicht zur Arbeit heranzog. Dies kompensiert nicht in ausreichendem Maße die geopferte Freizeit. Der Arbeitnehmer kann seinen Freizeitaktivitäten nicht nachgehen und diese planen. Daher erfordert der Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 BetrVG, dass an einem anderen Tag, der dem Arbeitnehmer zur Freizeitplanung zur Verfügung steht, Arbeitsbefreiung gewährt wird. Daraus folgt, der Arbeitgeber kann den Ausgleichsanspruch nicht rückwirkend gewähren, indem er ihn in der der Betriebsratssitzung vorhergehenden Nachtschicht freistellt.
Tipp
Der Freizeitausgleich für Betriebsratsmitglieder ist ein heftig umstrittenes Thema. Der in § 37 Abs. 3 BetrVG geregelte Freizeitausgleich soll nicht in erster Linie eine überobligatorische Arbeitsbelastung (oder Überstunden) kompensieren.
Vielmehr geht es um einen Ausgleich für den betriebsbedingten Verzicht auf persönliche Freizeit. Daher reicht es nicht, den Arbeitnehmer vorab von der Nachtschicht freizustellen. Der Arbeitgeber muss ausdrücklich einen anderen Tag für die Freizeitaktivitäten des Arbeitnehmers gewähren.
Es spricht übrigens nichts dagegen, die arbeitgerberseitig gefühlte "Verdoppelung" der zu gewährenden Freizeit und die Entstehung eines "Freizeitbergs" dadurch verhindern, dass der Arbeitgeber den Freizeitausgleichsanspruch in einer derjenigen nächsten Schichten erfüllt, die vor einer außerhalb der Arbeitszeit zu erbringenden Betriebsratstätigkeit liegt. Hierzu bedarf es jedoch einer vorherigen entsprechenden Anrechnungsabrede zwischen den Parteien. Dies hatte der Arbeitgeber in dem vorliegeden Fall verpasst.